Polyvagaltheorie – Der liebevolle Umgang mit dem eigenen Nervensystem

Am 18. Juni trafen sich Mitarbeitende, Dozentinnen und Lizenzpartner der Spiraldynamik zu einer Fortbildung mit Therapeut, Trainer und Autor Jörg Fuhrmann. Das Thema: die Polyvagaltheorie. Die freie Journalistin Sylvie Eigenmann hat am Event teilgenommen und berichtet. Interessiert?

Die Polyvagaltheorie stellt den Vagus-Nerv ins Zentrum. Er ist der grösste Nerv des parasympathischen Systems und hat zwei Äste: Der ältere, „dorsale“ Vagusast zieht in den Bauchraum unterhalb des Zwerchfells, der neuere, „ventrale Vagus“ in den oberen Körperbereich – v.a. ins Gesicht und zu Herz, Lunge und Magen. Zusammen mit dem Sympathikus, entlang der Wirbelsäule, machen sie die drei Teile („poly“) des autonomen Nervensystems aus.  

Unser Gehirn ist vorrangig damit beschäftigt, uns am Überleben zu halten. Darum ist das menschliche Nervensystem ein faszinierendes Instrument – sehr differenziert und hoch sensibel. Über Jahrmillionen hat es sich in verschiedenen Stufen ausgebildet und unterschiedliche Funktionsweisen entwickelt, so dass schon unsere evolutionären Vorfahren möglichst gut und sicher überleben konnten. Die drei Anteile des autonomen Nervensystems sind durch unterschiedliche Reaktionsweisen charakterisiert:

  • Sicherheit, Entspannung und Verbundenheit (ventraler Vagus)
  • Kampf oder Flucht (Sympathikus)
  • Erstarrung und Totstellreflex (dorsaler Vagus)

Impulse zu Kampf, Flucht oder Erstarrung laufen bei Stress – heute wie damals – im Körper-Nervensystem ab – auch, wenn der Stress nicht mehr von einem Säbelzahntiger ausgelöst wird, sondern durch Termindruck, Konflikte oder durch schwierige Emotionen. Diese weiterhin ablaufenden Reflexe haben nachhaltige Auswirkungen auf unser Wohlbefinden: Mentale Aufnahmefähigkeit, Verdauung, Herzfrequenz, Mimik, Stimme, Atmung, Klangwahrnehmung, unser Sicherheitsgefühl und soziale Interaktionsfähigkeit – all das und noch viel mehr ist in hohem Masse vom Zustand unseres vorderseitigen Vagus-Nervs abhängig. „Psyche, Nervensystem und Körper sind nicht zu trennen“, erklärt Jörg Fuhrmann.

So stärkt die Polyvagaltheorie das Verständnis für die unterschiedlichen Reaktionsweisen unseres Nervensystems – und zeigt auf, wie wir wieder in Balance kommen können. Gewisse Stimmübungen oder Augenbewegungen beispielsweise aktivieren sanft den ventralen Vagus, was dem Körper Sicherheit signalisiert. Befinden wir uns hingegen – bedingt durch alte Traumata oder hohen Stresslevel – im Erstarrungsmodus, können „festgefrorene“ Energien durch bestimmte Techniken wieder in Bewegung gebracht werden. So kann eine ursprünglich unvollendete Kampf- oder Fluchtreaktion des Körper-Nerven-System „abgeschlossen“ werden.

Besonders geeignete Techniken dazu sind beispielsweise das „TRE®“ (Tension and Trauma Releasing Exercises  nach Berceli), welches auf dem Prinzip des neurogenen Zitterns basiert, das „SE®“ (Somatic Experiencing nach Levine) oder das „Hypnagoge Atmen“ nach Fuhrmann. Ferner ist die von Prof. Stephen Porges – dem Begründer der Polyvagaltheorie – klinisch entwickelte SSP-Klangbehandlungs-App eine Unterstützung bei der besseren Nervensystemregulation und ventralen Vagus-Aktivierung.

Am Spiraldynamik-Jubiläumskongress 12.11.2022 in Zürich haben alle die Möglichkeit, die Polyvagaltheorie und deren Anwendungspotenzial kennenzulernen. Jörg Fuhrmann wird in seinen beiden Vorträgen einerseits die Polyvagaltheorie selbst, andererseits ihren Nutzen in der Therapie beleuchten und dabei ein kleines Anwendungs-ABC speziell für nicht auf Traumata spezialisierte (Physio-) Therapeutinnen und Therapeuten aufzeigen. 

Interviewerin: Sylvie Eigenmann 

Interviewdatum: 25. Juli 2022

Erstmalige Veröffentlichung: August-Newsletter „Spiraldynamik“ (Dr. Christian Larsen)

Jörg Fuhrmann

Jörg Fuhrmann

Leiter freiraum-Institut/ Therapeut/ Supervisor

Körper-Gestalttherapeut (EAP)/ Transpersonaler Therapeut (EUROTAS)/ NARM®-Practitioner

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