Was ist NARM (“Neuroaffektives Beziehungsmodell”) nach Dr. Laurence Heller? 

NARM  thematisiert Beziehungs- und Bindungskonflikte und arbeitet mit unbewussten Mustern von Verbindungsabbruch, die unsere Identität, Emotionen, Physiologie, Verhalten und Beziehungen grundlegend und strukturell beeinflussen. 

Michael Mokrus schreibt über NARM:NARM integriert sowohl einen psychodynamischen und als auch körperzentrierten Ansatz und ist ein umfassendes theoretisches und praktisches Modell, welches in klinischen Settings, wie in privaten Praxen gleichermaßen zur Anwendung kommt. NARM basiert auf psychodynamischen Modellen wie der Bindungs- und Objektbeziehungstheorie, somatischen Modellen und Charakterstrukturansätzen, um das wechselseitige Zusammenwirken von psychologischen Themen und dem Körper zu untersuchen. NARM beschreibt einen neuen Ansatz beziehungsorientierter Arbeit im gegenwärtigen Moment im Kontext interpersoneller Neurobiologie. Es handelt sich dabei um ein ressourcenorientiertes, nicht-regressives, nicht-kathartisches und letztlich nicht-pathologisierendes Modell. Basierend auf Achtsamkeit, Reflektion und Akzeptanz unterstützt NARM eine nicht-westliche Ausrichtung im Hinblick auf die Natur der Persönlichkeit.”

Dabei geht NARM™ von fünf grundlegenden Überlebensstrukturen aus, die Menschen im Laufe ihrer Entwicklung zum Erwachsenen hin ausbilden können, um in den Verhältnissen ihrer Herkunftsfamilie halbwegs “zu Rande zu kommen” und die mitunter maligne Liebes-/ Bindungsbeziehung (zu den eigenen Eltern) zu schützen. Bleiben diese Strukturen unerkannt, können sie auch in der heutigen Zeit das Erwachsene Leben aus dem Unbewussten heraus lenken und bestimmen und so zwischenmenschliche (Liebes)Beziehungen, Partnerschaften, Ehe und Familie schwierig gestalten lassen oder massiv beschweren, bis hin zu: “gänzlich verunmöglichen”. Die adaptiven NARM™-Überlebensstrategien lauten: 

1.) Kontakt-Überlebensstrategie (Kontaktverlust zum physischen & emotionalen Ich/ Kontaktprobleme zu anderen/ Nähe = Gefahr: einstige Aufgabe der eigenen Existenz & Sich-Unsichtbar-Machen)

2.) Einstimmungs-Überlebensstrategie (Gefühl, dass eigene Bedürfnisse es nicht verdienen erfüllt zu werden/ “andere müssen machen”: einstige Aufgabe eigener Bedürfnisse für die der wichtigen Anderen)

3.) Vertrauen-Überlebensstrategie (Macht/ Dominanz/ Kontrollsucht/ Gefühl sich nicht auf andere verlassen zu können: einstiege Aufgabe der eigenen Authentizität um so zu werden, wie die wichtigen Anderen ihn/ sie haben wollten)

4.) Autonomie-Überlebensstrategie (Ambivalenz/ Grenzsetzung problematisch/ permanent unter Druck/ verbindliche Beziehung = Falle: einstige Aufgabe eigener Unabhängigkeit um nicht verlassen oder erdrückt zu werden)

5.) Liebe-Sexualität-Überlebensstrategie (Zurückweisend/ Selbstwert basiert auf Optik & Leistung/ Herz & Sexualität schwierig: einstiger Versuch durch Perfektion Ablehnung zu vermeiden und für Performance und Aussehen doch etwas Liebe zu erhalten)

In den NARM™-Sessions werden die Menschen eingeladen aus dem – nicht-regressiven – Erwachsenenbewusstsein heraus im Hier & Jetzt im Kontakt mit dem zu sein, vor dem sie normalerweise davonlaufen würden (Vgl., “Gestalttherapie“). Dabei ist die vordergründige Frage immer die nach dem eigenen Herzenswunsch und dem, was diesem in den Weg kommt, so dass er sich eben scheinbar nicht verwirklichen kann. 

Wir sind nicht mit Schuld und Scham geboren. Scham und Schuld sind tiefsitzende, oftmals unbewusste Empfindungen, die das Lebensgefühl nachhaltig beeinflussen. Durch tiefes Verstehen, Annehmen der eigenen Gefühle und Bedürfnisse sowie Mitgefühl mit sich selbst können fest verwurzelte Scham und Schuld gelockert werden (…) Dann können sich Lebenskraft, Freude, Liebesfähigkeit und Zufriedenheit entfalten! 

Dr. Laurence Heller/ Angelika Doerne

Befreiung von Schuld und Scham, Kösel-Verlag

Was bewirkt das NARM?

Prof. Dr. Luise Reddemann (PiTT®) – nach deren Ansatz ich ebenfalls vor 15 Jahren ausgebildet worden bin – sagt u.a. über das NARM: “Heller und La Pierre gelingt es, Neurobiologie, psychodynamisches Verstehen und die Bindungsforschung in einen tiefgreifenden Zusammenhang zu bringen und nachvollziehbare, praktische Handlungsanweisungen zur Verfügung zu stellen.” 

NARM™ akzeptiert das was Geschehen ist, als etwas das eben so geschehen ist und auch nicht verändert werden muss, wie es bspw. oftmals in hypnotischen Prozessen angestrebt wird, sondern ermächtigt den jeweiligen Menschen dazu als Erwachsener auf das Gewesene und die heutigen, nach wie vor auf Scham und Schuld basierenden Identifikationen und daraus resultierenden Scham-/ Schuld-Mustern zu schauen, anstatt diese einfach blind auszuagieren. “Scham” und “Schuld” können dann ggf. auch als ein internalisiertes (“Introjekt”) Versagen der Umwelt erkannt werden. Dabei hilft eine achtsamkeitsbasierte Beachtung des Körpers den notwendigen neokortikalen “Top-Down-Prozess” zu ermöglichen und “auszuhalten”, ohne gleich reflexartig in die alten Identitätsfixierungen und den damit verbundenen Selbsthass zu versinken. NARM™ trennt die Geschichte, mit der die einst erlebte Not in Verbindung steht, von der empfundenen Not im physischen Organismus selbst. Wenn sich die neuronale/ psychische/ emotionale/ verkörperte Kapazität im Menschen erhöht, nimmt auch die Selbstregulationsfähigkeit und Vagus-Aktivität zu. Parallel lösen sich oftmals viele kognitive Verzerrungen und Programme wie von selbst. 

Was sind die “vier Säulen” des NARM™?

Das NARM™-Modell ruht auf vier Säulen oder man könnte auch sagen auf “vier Werkzeugen” oder “Grundelementen”. Dabei arbeitet das NARM™ anhand ganz konkreter Aufträge und Beispiele vom Klienten v.a. mit Entschleunigung, Dekonstruktion und Differenzierung (von gemachten Erfahrungen) anstatt mit Zielorientierung, Lösungsorientierung, Strategie, Umdeutung, Regression oder Problem-Orientierung. Ein wesentlicher Schlüssel für die hier angestrebte Zustandsveränderung ist das Ressourcieren, Würdigen und Wertschätzen – dann gibt es auch andere Einsichten, Impulse, Verbindungen, Orientierungen, Tiefen und Möglichkeiten. denn es stimmt in der Tat: “Ganz gleich wie schlimm es einstmals war – Sie haben überlebt!”

Doch nun zu den vier NARM™-Säulen:

1.) Säule: “Vereinbarung/ Anliegen” (Was/ Wie/ Wofür) 

2.) Säule: “Exploration/ Information/ Arbeitshypothese” (körperlich/ emotional/ mental)

3.) Säule: “Selbstwirksamkeit Spiegeln & Spüren” (Eigenverantwortung/ Selbstreflexion)

4.) Säule: “Psycho-Biologische-Veränderungen” (Körperliche Reaktionen ausdrücken/ Kompetenz erleben) 

Im NARM™ interessiert uns v.a. die “Dynamik und die Emotion dahinter” – das, was dahinter in der Tiefe schlummert und das was ein bestimmtes Verhalten antreibt. Denn das als hinderlich erlebte Verhalten kann sich verändern, wenn der Mensch einen anderen Zugang zu seinen Emotionen erhält. 

Die Bewältigungsstrategien, die uns ursprünglich geholfen haben, als Kinder zu überleben, werden im Laufe der Jahre zu starren Überzeugungen darüber, wer wir sind und wie die Welt ist. Unsere Überzeugungen über uns selbst und die Welt, zusammen mit den physiologischen Mustern, die mit diesen Überzeugungen verbunden sind, kristallisieren sich zu einem vertrauten Gefühl heraus, wer wir sind. Das ist es, was wir als unsere Identität betrachten.

Dr. Laurence Heller

Psychologe/ Psychotherapeut/ SE™-Lehrtrainer/ Gründer Gestalttherapie-Institut Denver , NARM™-Begründer

Ergänzung des Somatic-Experiencing®-Konzepts:

Das SE™Regulationsmodell von Dr. Peter A. Levine zielt v.a. auf die regulierende Bottom-Up-Arbeit und das “biologische Vervollständigen” bei schockartigen überwältigenden Erfahrungen ab, die unvollendet nach wie vor das Autonome Nervensystem überladen und so fortwährend für eine “Vollgas & Bremse-Situation” sorgen. Derartige Ereignisse können sich mit entwicklungsspezifischen Defiziten “überkoppeln”/ verbinden und somit permanent global hohes Arousal (“GHIA”) generieren. Das besondere am NARM-Konzept ist v.a. der Fokus auf eben diese frühen Entwicklungserfahrungen aus denen dann eben hochkreativ entsprechende Überlebensstrategien erschaffen worden sind um “zu Überleben” und an die im weiteren Lebensverlauf oftmals Unfall- und Schocksituationen andocken. Beim NARM steht der Umgang mit unserer inneren Kraft in Beziehung zur Umwelt und somit eher die gesteigerte Fähigkeit zum gesunden “Containment” entscheidend. Mit der weiteren Ergänzung des NARM-Touch® (Dr. Aline LaPierre) wurde weiterhin eine feine Körperarbeit v.a. für die Typen der Kontakt-Struktur erschaffen – hier gibt es gewisse Parallelen zur Körperarbeit Dr. Kathy L. Kains und zum SOMA-Embodiment (Dr. Sonia Gomes). Die extrem wohlwollende, zugewandte und erwachsene – “narmische” – Adressierung des Klienten ermöglicht beim NARM-Ansatz eine sehr gute Aktivierung des sozialen Engagement-Systems – über den ventralen Vagusnerv.

Hinweis zum hier vorgestellten NARM-Ansatz

Für eine kassenfinanzierte “Traumatherapie” wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder psychologischen Psychotherapeuten. Am freiraum-Institut bieten wir ausschließlich Persönlichkeitsentwicklung zur ganzheitlichen Potenzialentfaltung an.

Jörg Fuhrmann

Jörg Fuhrmann

Leiter freiraum-Institut/ Therapeut/ Supervisor

Körper-Gestalttherapeut (EAP)/ Transpersonaler Therapeut (EUROTAS)/ NARM®-Practitioner

Weiterführende Literatur zum Thema Bindung, NARM™, Familie & Beziehung: 

Anderson, Frank, G./ Schwartz, Richard, C. (u.a.), 2018, Therapeutische Arbeit im System der Inneren Familie, Probst 

Brisch, Karl, Heinz, 1999, Bindungsstörungen – Von der Bindungstheorie zur Therapie, Klett Cotta

Grüttefien, Sven, 2018, Die narzisstische Mutter – Umgang mit Narzissten, BOD

Heller, Laurence/ Doerne, Angelika, 2020, Befreiung von Schuld und Scham – Alte Überlebensstrategien auflösen und Lebenskraft gewinnen, Das Neuro-Affektive-Beziehungsmodell (NARM), Kösel 

Heller, Laurence/ La Pierre, Aline, 2013, Entwicklungstrauma heilen – Alte Überlebensstrategien lösen Selbstregulierung und Beziehungsfähigkeit stärken, Das Neuro-Affektive-Beziehungsmodell (NARM), Kösel 

Heller, Laurence/ Pool-Heller, Diane/ Levine, 2001, Peter, A., Crash Course: A Self-Healing Guide to Auto Accident Trauma and Recovery, North Atlantic

Huber, Michaela, 2013, Der Feind im Innern, Junfermann

Klees, Katharina, 2018, Traumasensible Paartherapie, Junfermann

Nazare-Aga, Isabelle, 2017, Dies ist mein Leben – So befreien Sie sich vom Einfluss manipulativer Eltern, Kösel

Pool-Heller, Diane, 2020, Tief verbunden – Wie wir alte Bindungsmuster auflösen und dauerhafte Partnerschaften eingehen, Kösel

Porges, Stephen/ Dana, Deb, 2018, Klinische Anwendungen der Polyvagaltheorie – Ein neues Verständnis des Autonomen Nervensystems und seiner Anwendung in der therapeutischen Praxis, Probst

Van der Kolk, Bessel, 2014, Verkörperter Schrecken – Traumaspuren in Gehirn, Geist und Körper, Probst

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