Eine Hauptkomponente des sich seelischen Wohlfühlens ist die Fähigkeit im Hier und Jetzt zu sein (…) Es gibt erhebliche Überschneidungen zwischen den Eigenschaften des Gipfelerlebnisses und den Eigenschaften der psyschischen Gesundheit (…) Gipfelerlebnisse können als wahrhaft religiöse Erfahrung im besten und tiefsten universellsten und humanistischsten Sinne des Wortes gelten (…) Alle mystische Erfahrung, wie sie klassisch beschrieben wird, wurde mehr oder weniger durch Gipfelerfahrungen erlangt (…) Es kann sich herausstellen, dass die wichtigste Konsequenz aus dieser Arbeit darin besteht, die Religion in den Geltungsbereich der Wissenschaft eindringen zu lassen.
Eine weitere wesentliche Stärke der humanistischen Psychologie-Theorie ist die, dass sie relativ flexibel mit anderen Denkschulen kompatibel ist und so auch zu vielen verschiedenen therapeutischen Formen und Stilen beitrug, die alle von der Idee getragen waren, dass Menschen die inneren Ressourcen für Wachstum und Heilung in sich selbst besitzen. Dies spiegelt sich auch in Haltung und Arbeitsstil bspw. von Gestalt, Systemischer Therapie, Körperarbeit, Psychodrama, Logotherapie und Klientenzentrierter Gesprächstherapie wieder. Ziel der humanistischen Psychotherapie ist es, Hindernisse die den Einzelnen vom Erreichen seiner Ressourcen und letztlich seiner Selbstverwirklichung abhalten, aufzudecken und durchzuarbeiten – was in der humanistischen Philosophie auch systemisch oder gesellschaftliche Betrachtung finden kann. Denn schließlich gibt es unzählige Menschen aus den unteren Schichten, die durch ein tägliches Hamsterrad, mitunter aus mehreren beruflichen Tätigkeiten, davon abgehalten werden, überhaupt auch nur an so etwas wie ein ihnen innewohnendes Potenzial zu denken.
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Ein Hauptanliegen für die Humanistsche Psychologie-Bewegung war und ist es daher – im Sinne Aldous Huxley´s – den ganzen Menschen wachsen und entfalten zu lassen (“Human Potential Movement”). Die antiken Griechen prägten dafür den Begriff „Areté“ – er bezeichnete ursprünglich den „Akte des Lebens hin zu seinem größtmöglichen Potenzial“, entsprechend der eigenen Bestimmung“. Wir sprechen hier über eine Form der Reife und Selbstverwirklichung, wie sie die allermeisten Menschen in unserer modernen Welt nicht erreicht haben, weil sie nicht gelernt haben, ihre eigenen Impulse wahrzunehmen, zu betrachten, zu verstehen und intuitiv auszudrücken, weil sie die Verbindung zu sich und ihrem Körper, wie auch zur Natur, zu den Vorfahren und Mitmenschen häufig nicht gefunden oder wieder verloren haben. Daher schreibt Maslow:
„Selbstverwirklichende Menschen, Menschen also, die einen hohen Grad der Reife, Gesundheit und Selbsterfüllung erreicht haben, können uns so viel lehren, daß sie manchmal fast wie eine andere Rasse menschlicher Wesen erscheinen.“
(Prof. Abraham H. Maslow)
Sie brauchen keine neuen Methoden, sondern eine andere Haltung. Kein Ansatz, der sich auf Wissen, auf Training, auf die Annahme irgendeiner Lehre verlässt, kann auf Dauer von Nutzen sein. Haltung ist entscheidend nicht Worte.
Explizit die Zeit der 1960er Jahre hat begrüßenswerte humanistische Ideale geschaffen und weiter ausgebaut. Allerdings wurde mit dem Ideal der Gleichheit („Graves Grün“) das zu allen Zeiten ebenfalls wahre Faktum einer gewissen gesellschaftlichen Ungleichheit – und sei es nur in den individuellen Fähigkeiten eines jeden Einzelnen – verleugnet. Abschließend lässt sich daher explizit in jüngerer Zeit festhalten, dass a) eine Förderung unbegrenzter „Selbstverwirklichung“ und b) die überspannte Dauerbeschallung mit der „Forderung nach Gleichheit“, offenkundig nicht nur problematisch sind, sondern auch propagandistische Züge annehmen, die sich in Folge dessen oftmals geradezu ins eigentliche Gegenteil zu verkehren scheinen. Daraus resultieren abermals zahlreiche neue „Ersatzpriester*Innen“, die im Geiste jener anscheinend höherstehenden Hypermoral dazu neigen ins Autoritäre abzudriften und die allgemeine Freiheit zunehmend beschneiden zu wollen. Im Ergebnis wurde und wird hiermit ein Zuwachs an gesellschaftlicher Angst und Gewalt im Verbund mit einer chronischen Selbstverachtung, Trivialisierung und kollektiver Konditionierung herbeigezüchtet. Deren gesamtgesellschaftliche Folgen sind nicht nur ein zunehmender Sinnverlust im Individuum sondern werden sich möglicherweise zukünftig auch in größeren, gesellschaftlichen Umwälzungstendenzen Weg bahnen.
© freiraum-Institut (FRI) (Artikel von Jörg Fuhrmann) – Teilen ausdrücklich erwünscht.
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